Leica M9 – Warum Kleinbild doch irgendwie Leica ist (part 3 of 3)
Hard facts
In einem „Test“ wären wir längst darauf zu sprechen gekommen: Bildqualität, Geschwindigkeit, Größe des Monitors. Und so weiter und so fort. Da dieser Beitrag jedoch kein Test, sondern ein Erfahrungsbericht ist, werde ich mich hier sehr kurz halten.
Die Bildqualität der Leica ist sehr gut. Der 18 Megapixel-Sensor ist mindestens bis 1250 ASA ausgezeichnet, und höhere Werte werden in vielen Fällen ebenfalls noch gut gehen. Dass die Datenverarbeitung recht gemächlich ist, stört bei dieser Kamera kaum – man fotografiert ja ganz anders mit ihr. Anders, das heißt: langsamer. Ja, ja. Die Leica-Mythen haben einen wahren Kern. Was mich bei einer 1Ds II oder neuer sehr stören würde, ist mir hier vollkommen egal. Die langsame Schreibgeschwindigkeit stört den Flaneur nicht. Der hat Zeit. Der ist nicht unterwegs, um zu suchen, sondern um zu finden.
Viele haben den kleinen Monitor der M9 moniert. Ich finde ihn in Ordnung. Was mir besonders gut gefallen hat: Wenn man in das Bild hineinzoomt, kann man die Schärfe wirklich sehr gut beurteilen, offenbar bekommt man dabei die wirklich fotografierten Pixel zu sehen. Aber ich erwähnte ja bereits: die Schärfe sitzt bei sorgfältigem Fokussieren ohnehin. Meistens jedenfalls.
Und hier ist es wieder an der Zeit für ein „Apropos“: Denn jetzt möchte ich ein wenig von der Bildqualität reden, die weniger dem Sensor als vielmehr den Objektiven zu verdanken ist.
Und das hat schon ganz besondere Qualitäten. Obwohl ich nur zwei „Billiglinsen“ von Leica bekommen haben, hat mich das beeindruckt. Die Abbildung, die die Objektive auf den Sensor zeichnen, ist einfach schön. Simply sharp. Über die ganze Breite, fast ohne Einschränkung. Das ist weit von dem entfernt, was ein Canon-Weitwinkelzoom bei Offenblende in den Ecken zustande bringt. Und das kommt natürlich dank des fehlenden AA-Filters vor dem Sensor im Leica-Datensatz auch besonders gut zur Geltung.
Während ich bei den beliebten Schärfe-Diskussionen in üblicher DSLR-Forums-Manier nur die Achseln zucke und denke „wen juckt das schon, wer merkt das im Druck?“, gefällt mir diese von den Technik-Enthusiasten vielfach geforderte Schärfe hier. Es merkt im Druck wahrscheinlich immer noch keiner. Aber es ist eine Qualität, die nicht wegdiskutiert werden kann und die man nur mit viel Aufwand erreichen kann. Dafür einfach mal Freude und Respekt!
Werte, Wertigkeiten und Werthaltigkeiten
Nur ein kurzer Diskurs: Ist die Kamera ihr Geld wert? Noch vor wenigen Wochen hätte ich klar gesagt: Nein. Sie ist einfach zu teuer.
5.500 Euro fordert Leica nur für den Body. In Objektiven kann man dann auch nochmal beträchtliches Kapital anlegen, selbst wenn man sich nur auf zwei oder drei Brennweiten beschränkt. Und doch, obwohl die M9 eine digitale Kamera mit den dieser Technik eigenen schnellen Verfallszeiten ist, kann ich die Haltung vieler Leica-Eigner nun besser verstehen: die Kamera für’s Leben. Einmal, aber dafür richtig kaufen. Wären wir immer noch im analogen Zeitalter, würde ich dem vorbehaltlos zustimmen.
Heute belichten wir aber auf Sensoren und die haben eine ungeheure Entwicklungsdynamik. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass ein anspruchsvoller Fotograf und M9-Besitzer von heute in fünf Jahren die dann verfügbare Technik auch gerne haben möchte. Kann, darf, soll man alle fünf Jahre 5000 Euro versenken – für eine Maschine, die eigentlich dafür konzipiert wurde, einmal gekauft und dann bis zum Ende seiner Tage genutzt zu werden?
Eine gültige Antwort darauf gibt es nicht. Offenbar ist Leica mit der M9 sehr erfolgreich. Alle weiteren Details regelt der Markt.
Erfüllung
Ist oder wäre die Leica M9 die Kamera für mich und meine Zwecke? Meine Antwort darauf ist ein 80prozentiges Ja. Bildqualität, zeitgemäße Umsetzung digitaler Tugenden und die charmant-lebendige Verbindung zu den Wurzeln der (Kleinbild-)-Fotografie nehmen mich sehr für diese Kamera ein. Noch großartiger fände ich es, wenn es eine sinnvolle Möglichkeit gäbe, ein shiftbares Objektiv an dieser Kamera zu betreiben, aber das ist vor allem meinen persönlichen Vorlieben in meiner privaten Fotografie geschuldet. Was mir auch gefallen würde: wenn diese Kamera etwas leichter wäre. Das ist ein echter Brocken in der Tasche, der ganz schön Richtung Erdmittelpunkt zieht. Ich hätte jedenfalls nichts gegen leichtere Materialien. Und ich hätte auch nichts gegen zeitgemäße Erweiterungen, die der M9 gut zu Gesicht stehen würden: Filme in hoher Qualität zu drehen zum Beispiel. Oder ein Display, das man hilfsweise auch nutzen kann, um das Bild zu komponieren und das natürlich schwenk- und klappbar sein sollte. Wir sprechen schließlich über DIE Inkarnation der schnellen, diskreten Reportagekamera. Die oben genannten Features passen hier sehr gut rein. „Reportage“ heute ist nicht mehr das gleiche wie in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Anforderungen haben sich verändert, die Möglichkeiten sind gewachsen. Mancher Fotograf in kritischen Situationen freut sich, die Kamera unauffällig auf seiner Stuhllehne platzieren zu können und mittels schwenkbarem Monitor sein Bild machen zu können. Multimedia-Produzenten sind heute auch Reporter. Wer das nicht glauben will, kann gerne mal bei den Redner-Aufzeichnungen des diesjährigen Lumix-Festivals in Hannover vorbeischauen: dort wird es von hochkarätigen Vertretern der Zunft demonstriert.
Wird die Leica M9 „meine“ Kamera? Ich kann diese Frage derzeit nicht sicher beantworten. Sie ist es nicht so sehr, dass ich die Anschaffung nun mit voller Priorität betreiben werde. Doch sie würde mir viel Freude machen, wenn sie einfach da wäre. Ich und die Leica Mx digital: wir sprechen uns noch.
Nachtrag
Nach der Photokina 2010 drehen sich meine Gedanken sehr um die Fujifilm Finepix X100. Dieses Stück Kamera verfügt zwar „nur“ über eine 35mm Äquivalent-Festbrennweite (nicht wechselbar), hat aber ansonsten alles, was eine anständige Kamera braucht: einen großen Sensor mit hoffentlich zeitgemäßer Leistung, ein hochwertiges, kompaktes Gehäuse – und einen richtigen Sucher. Sogar wahlweise als optischer und elektronischer Sucher mit einer hohen Auflösung ausgestattet. Mir persönlich reicht für meine privaten Streifzüge eine 35mm-Jackentaschenkamera. Wenn die Leistung stimmt und wenn das Fotografiergefühl so ist, wie ich es mir erhoffe. Der Markt gerät in Bewegung. Glücklicherweise. Und offenbar sind jetzt auch ein paar Leute dabei, die nicht nur prognostizierte Absatzzahlen im Consumer-Bereich vor Augen haben, sondern auch an Menschen denken, die einfach fotografieren wollen. Natürlich ist die Fujifilm keine Konkurrenz zur M9, da sie ein anderes Segment bedient und anscheinend keine Wechselobjektive vorsieht. Aber es ist möglicherweise die Kamera, die ich mir als nächstes kaufen werde und die die Leica X1 eigentlich hätte werden müssen.
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