Berufsfotografie und freies Fotografieren
Professionell fotografieren heißt fast immer: Fotografieren im Auftrag. Privat- oder Geschäftskunden, Agenturen oder Kommunikationsabteilungen sind diejenigen, die den Auftrag formulieren, ein Briefing erteilen und am Schluss die Rechnung bezahlen. Beruflich fotografieren ist daher in wesentlichen Elementen fremdbestimmt. Der Kunde entscheidet über Motive und Inhalte, und der Kunde entscheidet darüber, ob am Ende des Tages ein Lob oder ein Tadel steht. Qualität, Ästhetik und Wirksamkeit der Fotografien wird damit ganz selbstverständlich auch für den Kunden gemacht und der Fotograf unternimmt alles, um seine Bilder auf die maximale Wirkung im Kundensinne hin zu optimieren.
Der Fotograf wird gebraucht, um diese Vorstellungen umzusetzen – und auch um das Quäntchen Besonderheit, das Quentchen „Kreativität“ seiner Persönlichkeit mit in die Produktion einfließen zu lassen. Denn ohne diese künstlerische und ästhetische Qualität geht es nicht, zumindest nicht bei höherwertigen Produktionen.
Profession vs. Passion
Damit ist eigentlich auch schon ein tiefer innerer Widerspruch im Beruf des professionellen Fotografens angesprochen: er ist einerseits ein technischer und inhaltlicher Problemlöser und Produzent von Bildern, andererseits spielt das Kreative und Künstlerische eine nicht unwichtige Rolle, denn ohne dieses Element bleibt er ein reiner Techniker, seine Bildsprache würde nicht erkennbar und sein Marktwert stagnierte aus genau diesem Grund.
Viele Berufsfotografen, insbesondere und gerade dann, wenn sie erfolgreich und gut gebucht sind, beschränken sich dennoch auf ihre professionelle Rolle und fotografieren kaum oder nie außerhalb ihres beruflichen Lebens. Oft ist dem auch ein schleichender Prozess vorausgegangen, der die freien Arbeiten oder das Fotografieren aus purem Vergnügen im Verlaufe der beruflichen Entwicklung bei zunehmendem Erfolg nach und nach verdrängt hat. Fast ohne es zu bemerken, wird so aus einem Fotografen, der seine kreativen Impulse und Ideen munter pflegt, einer, der Freitag Abend seine Fotografierleidenschaft an die Garderobe hängt und sie erst am Montag Morgen wieder herauskramt.
Und es ist ja auch wirklich so: Wenn unter der Woche zwei oder gar drei Produktionen laufen, mit Vorbereitung, Produktion, Nachbereitung, Aufbereitung der Bilder, Abliefern der Datenträger usw. usf. hat man eine gut gefüllte und anstrengende Woche. Da ist man froh, wenn am Freitag Abend das letzt Bild gemacht und die Blitzanlage wieder im Kofferraum verstaut ist. Dann am Wochenende noch mal loszuziehen, vielleicht zu den Wurzeln seiner kreativen Arbeit oder zu einem freien Projekt? Das kostet Kraft und Überwindung. Ist es aber auch notwendig?
Batterien aufladen
Das soll nicht heißen, dass man rein berufliche Fotografie nicht auch mit Passion leisten könnte. Ganz im Gegenteil, man sollte sie definitiv mit Leidenschaft und großem Einsatz für das gewählte Sujet betreiben. Doch besteht dennoch ein substantieller Unterschied zwischen einem freien Projekt oder selbstbestimmtem Fotografieren und der beruflichen Fotografie im Auftrag.
Bei ersteren fallen die hier skizzierten Beschränkungen der Auftragsfotografie einfach weg. Inhalt, Form, Ästhetik, technische Umsetzung, Ausarbeitung und Präsentation der frei fotografierten Motive unterliegen vollständig dem eigenen Ermessen, Anspruch und Geschmack. Es steht einem weiterhin frei, diese Arbeiten einfach nur für sich oder auch für eine Öffentlichkeit (Ausstellung, Veröffentlichung) zu planen. Die Motivation kann vielfältig sein: freies Fotografieren als Erholung, freies Fotografieren als Möglichkeit, seine Skills, seinen Stil und seine Ausdrucksfähigkeit zu entwickeln und zu schärfen, freies Fotografieren, um Themen zu bearbeiten, für die einfach keine Honorare zu erzielen sind, die einem aber wichtig sind. Und so weiter und so fort.
Freies Fotografieren entspannt. Es geschieht aus einer ungezwungenen Haltung heraus, es ist Frei-Zeit, Spiel – und macht Freude. Jeder kreative Fotograf trägt Themen mit sich herum, die er im Auftrag einfach nicht umsetzen kann. Da ist es ein Genuss, hin und wieder ein Bild oder eine Serie zu fotografieren, die sich diesem Thema nähert. Dies muss noch nicht einmal mit dem Anspruch geschehen, veröffentlichungsreife Ergebnisse zu produzieren.
Ich empfinde diese Form des freien Fotografierens jedenfalls als eine Chance, meine Begeisterung für die Fotografie insgesamt am Leben zu erhalten, zu vitalisieren. Es bringt Spannung und frische Neugier zurück und macht einfach Lust, immer weiter fotografisch aktiv zu bleiben. Da ist es kein Widerspruch, dass mich als Corporate- und Industriefotograf auch in meiner Freizeit Fabrikanlagen und Gewerbegebiete mit ihrer speziellen Stimmung und Atmosphäre reizen. „Shoot what you love“, sagt auch der großartige Joe McNally.
Das freie Projekt
Die anspruchsvollere Version des freien Fotografierens ist ein fotografisches Projekt, zum Beispiel, um ein bestimmtes Thema zu bearbeiten, um eine Ausstellung zu produzieren oder um die Inhalte für ein Buch zu schaffen. Hier liegen die Dinge ein wenig anders: auch wenn das Thema frei gewählt ist, geht es in diesem Kontext sehr schnell darum, einen Anspruch zu erfüllen, vor den Augen eines Publikums bestehen zu wollen und möglichst Bestleistung zu erbringen.
Ein freies Projekt ist, wie Fotografen-Consultant Martina Mettner schreibt, „eine Möglichkeit als Fotograf über sich selbst hinauszuwachsen“. Damit werden Grenzen verschoben, Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet und Ziele erreicht, die zu Beginn des Projektes vielleicht als unerreichbar angesehen wurden. Was ein freies Projekt für Fotografierende bedeuten kann, kann man in Mettners Buch „Wie man ein großartiger Fotograf wird“ detailliert nachlesen. Auch wenn dieses kluge und absolut lesenswerte Werk sich nicht vordringlich an Berufsfotografen wendet, bietet es zahlreiche Anregungen und Hinweise, seine eigene Fotografie auf ein neues Level zu bringen und seine Möglichkeiten im Rahmen eines freien Projektes zu entfalten.
The truth is in the print
Doch zurück zu den kleineren Brötchen. Als mir vor einigen Monaten klar wurde (nicht zuletzt unter dem Eindruck von Martina Mettner’s Buch), wie wichtig das Thema eigentlich ist, habe ich alle Bilder durchgeschaut, die ich 2009 als frei Fotografierender gemacht habe. Es waren bedauerlicherweise erstaunlich wenige. Einiges ist auf Reisen entstanden, manches an freien Nachmittagen oder Wochenendstunden, die ich nur für mich und mein Fotografieren genutzt habe. Ich versuchte, herauszufiltern, was davon Bestand hat. Und der beste Weg dafür erschien mir der zu sein, die gültigen Bilder als hochwertigen Print zu realisieren und anschließend vom Buchbinder zu einem kleinen Buch mit Auflage 1 umsetzen zu lassen.
Für den Druck entschied ich mich, die ausgewählten Fotografien in einem bestimmten Layout, mit Ortsangabe und Datumsstempel versehen, auf hochwertiges Hahnemühle FineArt Pearl zu drucken. Und so entstand im Laufe eines Wochenendes Blatt für Blatt eine Art visuelles Tagebuch, perfekt gedruckt auf einem haptisch wie optisch edlem Papier und streng aber rein subjektiv selektiert. Übrig geblieben sind gerade mal knapp 30 Prints aus einem ganzen Jahr, ein kleiner Stapel im Format 24 x 33 cm (ein halbes A3+).
Wenn ich das Ergebnis betrachte, freue ich mich. Die Konzentration auf die wenigen Fotografien, die hochwertige Ausarbeitung, das finale Buch, das daraus geworden ist – das ist etwas Besonderes für mich. Es ist nur ein kleines Werk entstanden, aber es steckt sehr viel darin. Und macht mir persönlich und ganz individuell einmal mehr bewusst, was es bedeutet und wie großartig es ist, Fotograf zu sein.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf www.fotografr.de erschienen.
Vielen Dank an Michael Kirchner, www.omori.de
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